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NÖN, 29. September 2008

Alpträumerei
Verwundungen & Verwundete: Joachim Schloemer macht Mozarts Oper zum Psychodrama.

Nichts, gar nichts ist so, wie man es zu kennen glaubt.
Joachim Schloemer hat in seiner Inszenierung für das Festival Luzern kaum einen Stein auf dem anderen gelassen, er hat die Handlung verzerrt und gestaucht, sie verstümmelt und ganz neu aufgebaut. Aus dem einst komischen Singspiel ist ein bitterböses Nachtstück geworden. Alpträume überall.
Ihn interessiere besonders die Entführung, sagt Schloemer. Nicht jene aus dem Serail, sondern die, welche zur Gefangenschaft geführt hat.
Das Istanbul- also statt eines Stockholm-Syndroms.

Vieler Kunstgriffe bedient sich Schloemer. Er stellt den Tänzer zum Sänger, die Sängerin klagt neben der Tänzerin, er macht Bassa Selim zur Frau und lässt mit Hilfe von Spiegeln keinen Winkel der Bühne unbeobachtet.
Und er gruppiert Mozarts Musik um, ergänzt sie um perkussionistische Elemente, lässt das exzellente Freiburger Barockorchester unter Attilio Cremonesi auch ab und zu frei improvisieren.

In Luzern war's ein mitreißender Abend, der viel forderte. Das Publikum jubelte.

Thomas Jorda