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Kronenzeitung, 6. Oktober 2008

Gespaltene Charaktere
Der Tänzer/Choreograf/Regisseur Joachim Schloemer, Jahrgang 1962, ab 2009 neuer Intendant des Festspielhauses St. Polten, ist ein Grenzgänger. In jeder Hinsicht. Choreographische Qualitäten versteht er als "kompositorisches Verfahren". Er arrangiere geliefertes Material, sagt er. So auch nun in seiner "Entführung"!

Seine Deutung von Mozarts Entführung aus dem Serail", die beim diesjährigen Lucerne Festival großen Anklang fand [...] sorgte nun im Festspielhaus St. Polten abermals für geradezu enthusiastischen Applaus.
Schloemer setzt da auf die Gespaltenheit", also die Zweiteilung aller Charaktere bei Tänzerinnen und Sängerinnen: Das ist sein Weg, den Dualismus von Körper und "Ich" eines Opfers zu charakterisieren.
Ein bedrückendes Psychogramm gelingt ihm so, das den Künstlern - mitunter auch dem Publikum - konsequent Hartes abverlangt. Und die Protagonisten des Abends verdienen für die Umsetzung seiner Ideen höchstes Lob. [...]
Das Freiburger Barockorchester unter Attilio Cremonesi trug Entscheidendes dazu bei, dass das Publikum diese überaus lebendige, orginelle, sehenswerte "Entführung" mit Hochspannung verfolgte.

Florian Krenstetter