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Festspiele.de, 27. Oktober 2007

Kampf der Kulturen
Hector Berlioz' Oper "Die Trojaner" in Stuttgart

Mit einem der sperrigsten und aufwendigsten Brocken der Operngeschichte startete am Freitagabend die Staatsoper Stuttgart in die neue Saison. "Die Trojaner", Berlioz' "Grand Opéra" in fünf Akten dauert mehr als vier Stunden. Rund 20 zum Teil höchst anspruchsvolle Rollen sind zu besetzen. Hinzu kommt ein großer, ständig geforderter Chor und ein facettenreiches Riesenorchester.
Die Erwartungen des Premierenpublikums waren hoch. Am Schluss gab es begeisterten Beifall für eine geschlossene Ensembleleistung, für Regisseur Joachim Schloemer und für den neuen Generalmusikdirektor Manfred Hohneck.

Eigentlich besteht das Werk aus zwei Opern. Der erste Teil schildert die Eroberung Trojas durch die Griechen mittels der trickreichen Holzpferd-Finte. Danach trifft der trojanische Flüchtling Äneas auf der Reise zur Gründung Roms in Karthago auf die verliebte Königin Dido. Die beiden Geschichten haben einen gemeinsamen Kern: Sowohl die Seherin Kassandra in Troja als auch Dido scheitern im Konflikt zwischen individuellen Gefühlen und staatlicher Pflicht.

Regisseur Joachim Schloemer aber interessiert etwas ganz anderes: Er inszeniert "Die Trojaner" als Kampf der Kulturen. Troja steht für ihn als Archetyp einer vorzivilisatorischen Gesellschaft. Ein Schamane treibt während der gesamten Oper sein Unwesen. Die griechischen Eroberer werden als frühe High-Tech-Kämpfer dargestellt, die in eine archaische Pappmaché-Höhle eindringen (Bühne: Jens Kilian). Das Trojanische Pferd ist ein aufgemotztes Motorrad. Ebenso zivilisiert zeigt sich die Gesellschaft von Didos Karthago: Die Königin haust im keimfreien Video-Ambiente; ihre Untertanen hämmern ständig auf ihren Laptops herum.

[...] Schloemer [gelingt] vor allem im letzten Teil eine Fülle von schlüssigen Bildern - Hinreißend ist zum Beispiel die Darstellung von Didos Scheiterhaufen durch einen Berg aus Stühlen und Sängern.

Das musikalische Niveau spricht für den hohen Standard des Stuttgarter Ensembles. Der neue Generalmusikdirektor begeisterte sein Publikum. Den Riesenapparat hatte Manfred Honeck jederzeit im Griff. Die Balance zwischen lyrischer Delikatesse und brutalem Fortissimo- Rausch gelang ihm überzeugend. Der Chor, als heimlicher Hauptdarsteller der Oper, glänzte mit stimmlicher Präsenz und körperlicher Agilität (Leitung: Michael Alber und Johannes Knecht).Vor allem die weiblichen Rollen (Kassandra: Barbara Schneider-Hofstetter und Dido: Christiane Iven) wurden zu Recht umjubelt. Ki-Chun Park war als Äneas ein kraftmeierischer Heldentenor. Dass Stuttgart auch über höchst kultivierte Tenöre verfügt, bewies Michael Nowak in der kleinen Rolle des Hylas.

Martin Roeber