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Freiburger Kultur/Oper, 18. September 1999

Wie singt der Tanz?
Monteverdi-Madrigale in Basel

[...] Auf der Suche nach emotionalen Musik-Konstanten verlegt Schloemer die Szenen um Liebeslust und Liebesleid in ein tristes Vorstadtambiente. Die Künstler mutieren in lässigen Straßenklamotten zu Passanten, zu Schauspielern, zu Pantomimen und - zu Zuschauern. Klar: Anders als die einsam rezipierte Lyrik ist das Madrigal ein poetisches Gemeinschaftserlebnis. Ein allgemein nachvollzogener Kampf. Ein öffentliches Ringen des Individuums mit der Endlichkeit. [...] Schloemer - der Tänzer - orientiert sich an Rhythmus und Melos. Er findet in Monteverdis musikalischer Form das Geistesextrakt alter Musik. Und während er den Klang in choreographische Motive verpackt, knüpft er bewusst an die Überlegungen des Komponisten an. [...] Schloemer nimmt die Musik als Form. Ganz intim, wenn zum zart flirrenden "lettra amorosa" ein hautenger Pas des deux zwischen Sopran und Tänzer auch zur Liebesszene der Mittel mutiert: von Musik, Stimme und Bewegung. Ein zärtliches Wanken, ein Winden, ein Wahn. [...] Schloemer zeigt kleine Anatomien großer Gefühlszustände. [...]
Das Basler Opernhaus tobt [...] Ein intellektuelles Musik-Experiment muss den ästhetischen Spaßfaktor nicht ausklammern. Jubelstimmung in Basel. Das Madrigal lebt. Und wie!

Axel Brüggemann