- 28. August 1999
Die Presse
Monteverdi und der Kampf der Geschlechter - 28. August 1999
Kurier
Rap mit Monteverdi und die Alte Musik wird ganz neu - 29. August 1999
BZ
Grosser Erfolg für Theater Basel - 29. August 1999
BaZ
Von lauter Liebeskämpfen und Lebenslust pur - 30. August 1999
BZ
Sengendes Liebesfeuer entflammt noch heute - 31. August 1999
Die Welt
Schmerzensreiche Sehnsucht ohne Pomp und Pathos - 18. September 1999
Badische Zeitung
Ein unstillbarer süßer Schmerz - 18. September 1999
Freiburger Kultur/Oper
Wie singt der Tanz? - 18. September 1999
Neue Basler Zeitung
Die vergänglichen Gesten der Liebeskriege - 8. Oktober 1999
Stuttgarter Nachrichten
Liebeskrieg, konzentriert auf die Waffe Mensch - 28. Dezember 1999
Tiroler Tagezeitung
Stern, Seele, Freude, Schwert - 14. November 2001
SF Weekly
All's Fair in Love and War
BaZ, 29. August 1999
Von lauter Liebeskämpfen und Lebenslust pur
Joachim Schloemer Choreographien Claudio Monteverdi: «La Guerra d'Amore» bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck
[...] «La Guerra d'Amore» -«Der Liebeskrieg», der Titel zu Joachim Schloemers neuem Tanzabend, bezieht sich auf Claudio Monteverdis 1638 erschienenes Achtes Madrigalbuch mit dem Titel «Madrigali guerrieri et amorosi».
[...] Sein «Ballo delle Ingrate» von 1608 besteht aus einer gesungenen Handlung, die auf dem Höhepunkt in Tanz und szenische Bewegung umkippt. Hier liegt der Keim zu dem Konzept, das Joachim Schloemer und der Dirigent Rene Jacobs in «La Guerra d'Amore» mit neun Sängern und mit zwanzig Tänzern des Basler Tanztheaters ungemein vielseitig, dynamisch und sensibel ausgebaut haben.
[...]
Gerade unter Alte-Musik-Enthusiasten braucht es Mut, um frühbarocke Musik so zeitgenössisch zu präsentieren. Stürmischer Premierenapplaus zeigte, dass die Verbindung von Alt und Neu das Zeitgefühl trifft. [...] Frühlingserwachen, Lebenslust pur tönt aus Monteverdis .Madrigal «Zefiro torna» zum lässigsten aller Tanzbässe.
Dann ist der Frühling doch nicht ganz von Dauer. Denn zwischendurch muss die Qual durch zwei schöne Augen besungen werden. Und die graue Ziegelwand im Hintergrund wird zur Klagemauer, an der sich kühn und zart die Töne und Sehnsüchte der Liebeskämpfer brechen. Das Wunderbare ist, dass sie es überhaupt nicht pathetisch oder überhöht tun. Sondern so entspannt, lustvoll und wahrhaftig, wie man Monteverdi dank der leidenschaftlichen Vermittlung durch Rene Jacobs und sein Ensemble tatsächlich empfindet. Szenische Bewegung und Musik lassen die Welt stillstehen, schaffen poetische Momente der Selbstbetrachtung, des Sichgewahrwerdens.
Gross ist Schloemers Inspiration, um Sängerinnen und Tänzer in immer neuen frischen Bewegungskonzepten zusammenzubringen. Der gesungene Liebesbrief zum Beispiel. Die hinreissende Marisa Martins singt ihn mit allem Raffinement des damals neuen akkordbegleiteten Sologesangs. Das Ganze ist aber zugleich auch ein Pas de deux, in dem der Tänzer Jean-Guillaume Weis die Sängerin in sublime Körperverschlingungen verstrickt. Die Ebene der verbalen Erotik im gesungenen Text konnte man derweil in der deutschen Übertitelung am Bühnenportal mitverfolgen. Bei der hohen Qualität der vertonten Lyrik und der stimmungsvollen, dichten Umsetzung auf der Bühne ein absolutes Muss!
Im zweiten Teil stehen die Zeichen auf Sturm. Zur Ciaconna von Marco Uccellini entfesseln die Tänzerinnen und Tänzer einen Geschlechterkampf von eindrucksvoller Wucht. In Zeitlupe prallen die Kampfgruppen aufeinander, verknäulen sich zu einer lebenden Skulptur aus menschlicher Gewaltbereitschaft. Frau gegen Mann beissen, boxen, fallen mit virtuoser Körperbeherrschung ineinander. Es verwundert nun nicht mehr, dass Monteverdi bereit war, der Liebe ein gleich grosses Gewaltpotenzial wie dem Krieg zuzuschreiben. «Interotte Speranze» - die zerstörten Hoffnungen auf das Glück münden zielgenau in den «Combattimento» ein. In die rasant komponierte Erschütterung darüber, dass die Liebeskriegerin Clorinda im Zweikampf unwissentlich vom Geliebten Tancredi erschlagen wird. Auch hier gebühren der musikalischen Umsetzung fünf Sterne und alle übrigen dazu. Aber es bleibt keine Zeit, um zu schweigen und zu geniessen. Schon bricht nach dem ersten Applaus ein neues tänzerisches Feuerwerk los, das Tänzer, Sänger und Zuschauer in die Wonnen endloser Tanzbässe und überschäumender Melodik zieht. Das macht süchtig. Play it again!
Martina Wohlthal