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Badische Zeitung, 18. September 1999

Ein unstillbarer süßer Schmerz
Im Liebeskrieg verschmelzen Tanz und Gesang: Joachim Schloemer inszeniert in Basel Monteverdi-Madrigale

[...] Frank Leimbachs Bühnenbild für Joachim Schloemers szenisch-choreographische Umsetzung von Madrigalen aus Claudio Monteverdis siebtem und achtem Madrigalbuch (unter dem Titel "La guerra d'Amore") vermeidet jede symbolische oder historische, jede theatralische Aufladung des Raums. Es befreit ihn von Bedeutsamkeit So kann er werden, was er sein soll: ein Schauplatz für die stationären Dramen der Seele, ein Ort nicht für Aktion und Reaktion, sondern für innere Zustände, die kaum ein Choreograph so auszuleuchten vermag wie der Leiter des Basler Tanztheaters. [...] Und man begreift, dass sich diesem unmittelbaren Zugriff auf die Empfindungen auch jedes stilisierende Kostüm in den Weg gestellt hätte. Die 21 Tänzer(innen) und neun Sänger(innen) kommen mit Hilfe von Gesine Völlm beiläufig im Alltagsoutfit von heute daher, was andererseits nicht zu einer wohlfeilen Aktualisierung des Geschehens führt, sondern zu einer wundersamen Verbindung von Ferne und Nähe. Vielleicht trägt auch sie dazu bei, Schloemers Inszenierung so unangestrengt wirken zu lassen, dass man darob in schieres Entzücken ausbrechen möchte. Was soll man mehr bewundern, mehr bejubeln: die subtile Kunst des Choreographen, mit den Mitteln der Bewegung Empfindungsfiguren zu schaffen, oder seine Meisterschaft in der Ensemble-Choreographie? Am großartigsten ist Schloemer gelungen, worauf es in dieser Aufführung am meisten ankommt: die Verbindung von Gesang und Tanz. Es ist eben mehr als das: eine harmonische Vereinigung, ein wahres Gesamtkunstwerk.
Wie er die Sänger dabei zu Mittänzern macht und die Tänzer zu Sängerbegleitern, wie sich manchmal fast nicht mehr unterscheiden lässt, wer Stimme ist und wer Körper, das hat eine Leichtigkeit, die entrückt. Zum Beispiel das Duo zur "Lettera Amorosa" aus dem 7. Madrigalbuch: Hat man je einen Tänzer und eine Sängerin so innig verschmolzen gesehen? Oder die unglaublich zarte, leise Petrarca Vertonung "Nun, da der Himmel, die Erde und der Wind schweigen": Wie da das Tanzensemble das vom Meisterdirigenten für Alte Musik Rene Jacobs und dem Instrumental-Ensemble der Schola Cantorum Basiliensis mit höchster Präzision dargebotene Verhauchen der Musik in einer einzigen Geste fasst. Grandios.
Zur Freude des Publikums zeigte Schloemer im zweiten Teil des zweieinhalbstündigen Abends, dass sich dem Umgang mit Monteverdi auch vergnügliche, ironische Seiten abgewinnen lassen. Zuletzt, als alles zu Ende schien, sich bereits erster Applaus regte, dann aber plötzlich das Ensemble mit "Ardo, awampo, mi strunggo" noch einen richtigen Ohrwurm auflegte, zu dem ausgelassen getanzt, gesteppt, geswingt wurde, gab es im Saal kein Halten mehr.

Bettina Schulte