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Berliner Zeitung, 24 May 2007

Wie wirklich sind Märchen?
Zemlinskys "Traumgörge" begibt sich an der Deutschen Oper auf die Suche

Lange bevor irgendjemand von "virtueller Realität" sprach, hatten sich Traum und Wirklichkeit bereits bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt: in Wien um 1900 natürlich.

In Alexander von Zemlinskys 1904 bis 1906 entstandener Oper "Der Traumgörge" bedarf es weder Laptops noch Datenhelme; dem Titelhelden (Görge = norddeutsch für Georg) genügt allein das altmodische Medium (Märchen-)Buch, um sich in fremde Welten zu träumen. Problematisch wird es - wie immer im Leben - als der Görge versucht, seine Träume in die Wirklichkeit umzusetzen. Und natürlich will er nicht Rumpelstilzchen oder Froschkönig sein, sondern die schöne Prinzessin heiraten. Die waren aber auch damals eher rar gesät, und so gerät Görge ins Unglück, bis er lernt, dass man das Glück vielleicht doch am besten daheim findet.

Zemlinsky, der 1942 in der Emigration starb, hat die seinerzeit durch Wiener Intrigen vereitelte Uraufführung seiner dritten Oper nie erlebt; sie erfolgte erst 1980 in Nürnberg. Joachim Schloemer, der das musikalisch faszinierende, inhaltlich eher ratlos stimmende Werk für die Deutsche Oper inszeniert, sieht den Görge nicht als haltlosen Phantasten, sondern als einen wortgewaltigen Intellektuellen, der seinen Traum durchaus nicht zimperlich verfolgt. Eine Ausstellung und ein interdisziplinäres Symposion, das Zemlinsky-Interpreten, Traumforscher und den Komponisten Michel van der Aa zusammenführt, begleiten die Produktion; Steve Davislim singt die Titelfigur, Jacques Lacombe dirigiert.

Wolfgang Fuhrmann