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Badische Zeitung, 22. Januar 2013

Das kurze Glück der Drohnen
"Königinnen": Musiktheater von Joachim Schloemer und Fritz Hauser auf der Kleinen Bühne des Basler Theaters.

"Königinnen": Der Titel führt, wie oft bei Joachim Schloemer, in die Irre. Auf der von drei gleißenden Lichtleisten eingerahmten Kleinen Bühne des Basler Theaters sind sieben Frauen in strengen schlichten dunklen Kleidern und Anzügen (Kostüme: Romy Springsguth) versammelt: zwei – wie sich im Fortgang des Abends bald zeigt – Pianistinnen, zwei Sängerinnen, zwei Schauspielerinnen und, aus Freiburg, eine Tänzerin (Alice Gartenschläger). Solche genreübergreifenden Mischungen sind die Spezialität des früheren Tänzers, des Choreographen und Regisseurs. Für dieses Musiktheaterstück hat sich Schloemer mit dem Basler Schlagzeuger Fritz Hauser zusammengetan. Dieser hat aus vorhandenem musikalischem Material mit einem weiten Spektrum zwischen Guillaume de Machaut, Donizetti, Camille Saint-Saëns, Simone Keller und eigenen Kompositionen die von vierhändiger Klaviermusik (Simone Keller, Tamriko Kordzaia) dominierte Tonspur collagiert: ein sehr reizvolles musikalisches Gerüst für den sich von Assoziation zu Assoziation hangelnden 75-minütigen Abend.
In der Mitte der blau ausgeschlagenen leeren Bühne ist ein kreisrundes Loch. Wenn Carina Braunschmidt dort hineinspricht, entsteht ein Echo im Ungefähren. Die Texte, die laut Programmheft auch vom Ensemble und vom Regisseur stammen, bilden genau so einen Echoraum: Sie mäandern in rätselhaften Andeutungen, Erinnerungen, Träumen und Seelenzuständen [...]
Es gibt immer wieder traumhaft schöne schwebende Momente in diesen "Königinnen": Wenn Alice Gartenschläger unvermittelt ins Tanzen gerät und die statische Bühne mit ihren ausgreifenden Bewegungen zum Schwingen bringt; wenn die beiden Klavierspielerinnen (in Gummistiefeln!) fast einmal den Raum umrunden, um vom Synthesizer zu zwei heftig traktierten Pianos an der Rückwand zu wechseln, um schließlich am vorderen Bühnenrand fast auf Tuchfühlung mit dem Publikum zarte Walzerklänge zerstäuben zu lassen; wenn die Schauspielerin Verena Buss mit wunderbar ruhiger klarer Stimme ein schönes Prosastück des symbolistischen Dichters Maurice Maeterlinck über das kurze Glück der Drohnen im Reich der Bienenkönigin rezitiert; und wenn die Sängerinnen Geraldine Cassidy und Solenn Lavanant-Linke sich immer wieder mit so flüchtigen wie durchsichtigen Gesangsfragmenten a cappella zu Gehör bringen. Allerliebst ist auch der Auftritt der jungen Spiegelbilder: Es sind sieben kleine Mädchen zwischen acht und zehn, die den Darstellerinnen tatsächlich mitunter verblüffend ähnlich sehen – dass sie dieselben Kostüme en miniature tragen, verstärkt den Wiedererkennungseffekt ungemein.
Am Ende vereinen sich alle "Königinnen" zu einem Bewegungstableau à la Schloemer: In einer Art synchronem Kreisschritt finden Musikerinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen und Tänzerin zur perfekten Harmonie. Und man staunt, wie die Regie auch die Nicht-Tänzerinnen in Bewegung gebracht hat. Der Tanz hat, wie es einem gelernten Choreographen gebührt, das letzte Wort. Und das ist gut so.

Bettina Schulte