- 26. April 2007
Der Tagesspiegel
Wahn und Rausch - 24. Mai 2007
Berliner Zeitung
Wie wirklich sind Märchen? - 25. Mai 2007
Berliner Morgenpost
Der Tänzer als Opernregisseur - 25. Mai 2007
Berliner Zeitung
Musik mit Schlagseite - 28. Mai 2007
ad-hoc-news.de
Beifall und Bravorufe für «Traumgörge»-Premiere - 29. Mai 2007
Berliner Morgenpost
Abgründiges Großstadtmärchen - 30. Mai 2007
Neues Deutschland
Die Utopie ist tot - 30. Mai 2007
die tageszeitung
Endlich vom Drama befreit - 30. Mai 2007
Kieler Nachrichten
Vor Idyllen wird gewarnt - 31. Mai 2007
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Diese Musik narkotisiert - 14. Juni 2007
echo online
Wie eine Märchenstunde
Kieler Nachrichten, 30. Mai 2007
Vor Idyllen wird gewarnt
Mit dem Choreographen Joachim Schloemer wurde für Zemlinskys komplexe Mythenphantasie ein bildmächtiger Regisseur verpflichtet, der weder seine Vorbehalte gegenüber den ideologischen Konstrukten des Werks verbarg, noch es inhaltlich glattbügeln wollte. Schloemer ließ es mit seinem surrealen Treiben in aller Widersprüchlichkeit wirksam werden - und das ist vermutlich das Beste, was dieser Oper passieren kann.
Der junge Görge (norddeutsch für Georg) ist ein versponnener Büchernarr mit einer Vorliebe für Märchen. Um die schöne Prinzessin (Manuela Uhl) zu erobern, die ihm im Schlaf erschienen ist, verlässt er seine Fast-Verlobte Grete. Doch seine Abenteuerreise endet bereits im nächsten Dorf. Trotz der brutalen Desillusionierung abseits der gewohnten Lektürepfade freundet er sich mit der als Hexe denunzierten Gertraud an. Nach Angriffen und Verfolgung finden die zwei Außenseiter endlich in seiner alten Heimat Frieden, Ruhe und als Entwicklungshelfer in Sachen Humanismus wieder in die Gesellschaft zurück.
Der Bühnenbildner Jens Kilian hat für diese Welt zwischen Wille und Vorstellung einen U-Bahnhof mit zwei Rolltreppen, die sich allerdings nie bewegen, und einem Scherengitter, das den Ausgang verschließt, entworfen. Dieser Ort ist vertraut wie befremdlich, ist Sackgasse wie die Metapher für einen erschwerten Aufbruch. Hier vollzieht sich Görges Werdegang vom Tagträumer zum Tatmenschen, aber - und das zeigt Schloemer ebenso nachdrücklich - nicht unbedingt vom "Ich" zum "Wir".
Im großen Finale nämlich, als die beglückte Provinzlergemeinde demütig den guruhaften Oberhäuptern Görge / Gertraud huldigt, lässt Schloemer den Chor als geklonte Kleinfamilienmasse auftreten, identisch von den Frisuren bis hin zu den Tischdecken, die sie zum Picknick ausbreiten. Und während der Titelheld weiter von den Freuden der Idylle schwärmt, zücken die Ehemänner Pistolen, um ihre Frauen und Kinder umzubringen. "Träumen und spielen" will Steve Davislim als metallisch glänzender Görge da immer noch, obwohl sich zu seinen Füßen die Leichen stapeln.
Kongenial zu Schloemers klarer, entschiedener Inszenierung ist auch die musikalische Interpretation des kanadischen Dirigenten Jacques Lacombe, der den schwelgerischen Farben- und Gefühlsreichtum dieser reifen Fin-de-Siècle-Pracht unsentimental wie leuchtend erlebbar macht - und so nachhaltig beeindruckend wie die ganze famose Aufführung.
nordclick/kn