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Frankfurter Rundschau, 1. Juni 2014

Im Gebrösel des Lebens
Adriana Hölszkys Dostojewski-Oper „Böse Geister“, sehr ernst und perfekt uraufgeführt in Mannheim

[...]

Beim Aufspüren der Erzählung ist auch Regisseur (und Choreograf) Schloemer dem Zuschauer nicht behilflich. Seinerseits kompromisslos liefert er starke, dunkle, bizarre Bilder zur „Szenenfolge“, mit stimmlich und darstellerisch ebenso geforderten wie kompetenten Solisten und einer flotten Statistenschar. Jens Kilians Bühne besteht aus zwei drehbaren Blöcken, die bürgerliche Interieurs zeigen. Stawrogins Zimmerchen mit Sofa ist extra in den Zuschauerraum hineingebaut. Hier haust der ambivalente, schuldbeladene Tunichtgut, der bei Steven Scheschareg unerwartet sympathische Züge trägt, zusammen mit drei gespenstischen Mädchen.


Wie Schlömer insgesamt, in romanzeitgenössischen Kostümen von Heide Kastler, auf eine geisterhafte, das Rätselhafte lieber weiter verrätselnde Lesart abhebt. Er zeigt nicht böse Menschen, sondern böse Geister. Während man Tee trinkt, herrscht eine Unruhe, die sich musikalisch in grandios umgesetzten Gesangslinien und Sprechgesangslinien Bahn bricht. Einzelne Sätze ragen wie Menetekel heraus. Aggression, Gewalt, ein gegenseitiges Sich-Belauern sind offenbar der Alltag dieser Menschen [...]

Nichts scheint zum ersten Mal zu passieren. Dies passt sich ernsthaft kongenial ein in eine Musik, die bei aller Gespanntheit keine Höhepunkte sucht. Es könnte ewig so sein, ewig so weitergehen. Das wird es womöglich auch, wenngleich die Sänger endlich die Geisterwelt verlassen dürfen und sich sichtbar erleichtert dem großen Beifall widmen.

Judith von Sternburg