Foto

Badische Zeitung, 3. Mai 2014

Der Sturz durch das Loch in eine andere Zeit

Mit einem Sturz durch Raum und Zeit beginnt Joachim Schlömers Aufführung von Henry Purcells "The Indian Queen" am Theater Basel. Der Abend ist die stark bearbeitete Wiederaufnahme einer Inszenierung für die Schwetzinger Festspiele. David Cowan dirigierte das Barockorchester "La Cetra". "The Indian Queen" von 1695 ist eine Masque. Diese für das barocke England typische Gattung verband Schauspiel, Musik und Tanz zu groß angelegten Bühnenwerken. Das Stück spielt in Südamerika vor der Ankunft der Weißen und erzählt von Liebe und Intrigen, Krieg und Menschenopfern.

Schloemer hat die Partitur um Nummern aus anderen Werken Purcells erweitert und die Dialogszenen durch eine eigene Handlung ersetzt: Die Touristin Jasmin lässt sich zur nächtliche Exkursion in den peruanischen Dschungel überreden. Dabei stürzt sie durch ein Loch im Boden in einer andere, archaische Zeit. Sie erlebt, wie eine Frau, die ihr aufs Haar gleicht, geopfert wird, kann fliehen und kehrt verstört zurück. Doch ihre beiden Begleiter bleiben verschwunden und sie gerät unter Mordverdacht. Ein Video vom Verhör bei der Polizei ist das Rückgrat des Abends. Zoe Hutmacher spielt die Verdächtige in jedem Moment glaubwürdig.

Was sie berichtet, kann auch als Projektion ihrer verdrängten Ängste gedeutet werden, ihr Sturz als Fall ins eigene Ich. Jens Kilian hat dafür einen verwunschenen Raum geschaffen, einen barocken Saal, der auf dem Kopf steht. Der Kronleuchter scheint aus dem Boden zu wachsen, das Mobiliar an der Decke zu kleben. Zeitweise bewegen sich dort oben Doubles der Figuren mit dem Kopf nach unten. Das ist ein schöner Effekt, auch wenn der Mechanismus offen gezeigt wird. Schloemer hat Figuren verdoppelt, andere zu einer zusammengezogen. Er erzählt keine Geschichte, sondern zeigt Erinnerungsfragmente Jasmins, die sich nicht schlüssig zusammenfügen lassen.

[...] Tänzerin Alicia Gartenschläger als Double des Opfers setzt Schlömers expressive Körpersprache beredt um. Das Premierenpublikum reagierte mit herzlichem Applaus.

Alfred Ziltener