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Neue Zürcher Zeitung, 28. März 2015

Iphigenie ist keine «Queen of Soul»
Der Regisseur und Choreograf Joachim Schloemer findet kraftvolle Bilder für den inneren Widerstreit der Figuren auf der Neumarkt-Bühne. Doch was machen bloss die Motown-Girls in Goethes «Iphigenie»?

[...] Der Regisseur der Neumarkt-Inszenierung und Choreograf Joachim Schloemer nimmt Goethe und Heiner Müller beim Wort. Er visualisiert die schillernde Unruhe in der Sprache und die inneren Konflikte der Figuren durchdacht. Er findet mit den sechs Darstellern, die mehrere Figuren verkörpern und im Duo den janusköpfigen Pylades spielen, im Körpertheater kraftvolle Bilder. Hierin liegt die Stärke der – abgesehen von wenigen Meta-Einschüben – texttreuen Inszenierung. Auf der langgezogenen Bühne ist eine weisse, verschieb- und verschliessbare Kammer aufgebaut. Darauf wird zunächst ein Kurzfilm projiziert, der parabelhaft die Vorgeschichte Iphigenies rekapituliert [...]

In dem nüchternen Quader ringt Sabine Waibels beeindruckende Iphigenie mit dem Fluch ihrer Herkunft und ihrem Gewissen. Den inneren Widerstreit der Figuren versinnbildlicht Schloemer gelungen. Etwa mit einer «Diashow» der Posen: Jedes Mal, wenn das Licht angeht, kauert Iphigenie in neuer Verrenkung auf dem steil abfallenden Boden. Oder, indem er den vor den Erinnyen flüchtenden Orest (ein ungestümer Maximilian Kraus) elendiglich dahinsiechen lässt. [...]

Katja Baigger