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Badische Zeitung, 13. April 2004

Versuchsanordnungen
So kommt Neues in die Welt: Sciarrinos "Infinito Nero" am Forum Neues Musiktheater Stuttgart

Acht Novizinnen sollen es Im Jahre 1600 gewesen sein, die die Mystikerin Maria Maddalena de' Pazzi umgaben, um ihre göttlichen Eingebungen aufzuschreiben. Acht Novizinnen waren dazu nötig, obwohl Maria Maddalena immer wieder in Schweigen verfiel. Doch sobald die Inspiration über sie kam, schössen die Worte aus ihr heraus, schneller als ein einzelner Mensch sie hätte erfassen können. Der sizilianische Komponist Salvatore Sciarrino hat daraus ein Stück gemacht: "infinito nero", eine etwa dreißigminütige "Ekstase in einem Akt", die 1998 vom Freiburger ensemble recherche uraufgeführt wurde. Acht Instrumentalisten warten auf die Ergüsse der Sängerin. Nichts scheint sich zu bewegen, eine angespannte Stille erfüllt den Raum, grundiert von einigen regelmäßigen Geräuschen, als hörte man das eigene Blut in den Adern rauschen.
Wer "Infinito nero" nicht als Konzertstück, sondern als Musiktheater auf die Bühne bringen möchte, steht vor einem Problem: Die Musik ist extrem leise und damit extrem störanfällig für Außengeräusche. Joachim Schloemer, der mit einer Gruppe Projektteilnehmer und dem ensemble recherche Sciarrinos Stück für das neu gegründete "Forum Neues Musiktheater" in Stuttgart erarbeitete, trat dabei die Flucht nach vorn an. Er probierte aus, wie viel Bewegung mit rund fünfzehn Leuten weitgehend geräuschfrei zu bewerkstelligen ist. Und tatsächlich ist es eine ganze Menge. Nicht nur ein Cellokasten lässt sich so durch den Raum wuchten, auch die Sängerin (Sarah Maria Sun). Selbst die Instrumentalisten lassen sich während des Spielens weitgehend lautlos versetzen.

[...] Im zweiten Teil [...] - die Musik wird noch einmal wiederholt - findet Schloemer zu eindrücklichen Bildern, etwa wenn die Akteure mit Kreide am Boden sitzen und auf den Einsatz der Sängerin warten.

Elisabeth Schwind