Foto

Kronen Zeitung, 4. Juni 2012

Sehnsucht, Alter, Tod
"Nostalgia" - ein bravouröses Multimedia-Spektakel mit Musikfragmenten von Mozart! Das beschert Joachim Schloemer, der große deutsche Choroeograf, in seiner vorletzten Saison als künstlerischer Leiter des Festspielhauses St. Pölten.

Schloemer verwendet außer zwei Sätzen aus der "Prager Symphonie" wenig bekannte Arien, Entwürfe und Fragmente, auch aus dem Original des Requiems. Durch Werke Mozarts aus den Jahren 1770 bis 1772 und 1786 bis 1791 charakterisiert Schloemer Jugend und Alter (Tod) und vor allem Sehnsucht dieser "Nostalgia".
Der Komponist und E-Gitarrist Maurizio Grandinetti war in der Aufführung für die Überleitungen zwischen den Mozart-Fragmenten verantwortlich.
Literarisch hält sich Schloemer in seiner Inszenierung an den Roman "Das ist Alise" des Norwegers Jon Fosse (Rezitation: Burgschauspielerin Sabine Haupt). Jens Kilian gestaltete den Schauplatz mit Inseln am Ufer eines Wasserteichs.
Mezzo Anna Radziejewska, die Tänzer Boglárka Börczök und Máté Mészáros und Komparsen geben den verschiedenen Phasen des Stücks Opulenz und Abwechslung. Die Tonkünstler unter Lutz Rademacher und der Philharmonia Chor unter Walter Zeh sorgen für die Klangkulisse.
Fosse und Schloemer schildern die Sehnsucht einer alten Frau nach der Rückkehr ihres Mannes: Er kommt von seiner Fischtour nicht mehr zurück. Aber sie schildern auch deren Empfindungen angesichts der Unendlichkeit des Meeres. Alle Beteiligten zelebrieren diese minutiös inszenierten Bilder erstaunlich suggestiv. Eine stimmungsdichte Produktion und mitreißende Inszenierung, die theatralisch, musikalisch und choreografisch stark beeindruckt.
Das Publikum war von Joachim Schloemers hervorragender Arbeit begeistert.

Volkmar Parschalk