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DeutschlandRadio, 8 November 2004

"Tanztheater I"
Premiere für das "Freiburg-Heidelberg-Ballett" unter Irina Pauls am Theater Heidelberg

[...] "Ten" ist die Verweigerung von sprachlich deutbarem Inhalt. Es sind Raum- und Bewegungsetüden um ein bewegliches Bühnenbild: Hinten steigen und sinken Leinwände, unberührte Schluchtenlandschaften legen sich über grüne, satte Wiesen. In der Mitte kreist roboterhaft ein Scheinwerfer und verändert in stoischer Regelmäßigkeit den Lichteinfall, vorne schwankt ein Vorhang aus klirrenden Stahlringen und wirft Schatten auf den Boden. Eine Art Windspiel, das die Tänzer bei jedem Auftritt auseinander werfen, durch das sie springen und vor dem sie ausweichen. Es ist zunächst das einzige Geräusch, zusammen mit dem Atmen der Tänzer. Es ist eine abstrakte Meditation über das Fallen und Steigen, das Ausweichen und das Nähern geworden, eine 35-minütige Betrachtung darüber, das Bewegung auch Musik ist: Musik ist der Rhythmus, mit dem die Tänzer in immer neuen schwarzen und weißen, später farbigen Ganzkörper-Turnanzügen auftreten, Musik ist das Rumpeln des Philharmonischen Orchesters, das in den letzten zehn Minuten in den Orchestergraben kommt und die lärmende, scheinbar chaotische Musik der amerikanischen Choreografin Julia Wolfe zum tänzerischen Höhepunkt führt:

Schloemer, der einst Architektur studiert hat, kehrt mit diesem hermetisch phänomenologischen Konzept zu seinen Ursprüngen zurück und zeigt, dass er das Erzählerische lange hinter sich gelassen hat. Zweierduette werden meist ohne Berührung getanzt, kopfüber lassen sich die Tänzer zu Boden fallen oder sinken in Ecken zusammen, durchteilen den Raum blitzschnell mit den Armen, balgen sich wie Katzen, ein riesiger weißer Pfeil weist dem Zuschauer ironisch die Blickrichtung an - und dann gehen sie lakonisch wieder ab. Jedes emotionale Beiwerk ist verweigert, alle Assoziationen, auch des Bühnenbilds, laufen ins Leere. Es geht Schloemer um das vordergründig Sichtbare - die Gegebenheiten des Raumes. So hermetisch es ist, so hervorragend getanzt ist es auch. Erstaunlich für eine Kompanie, die bisher ganz andere Arbeitsweisen gewohnt war. [...] Für Joachim Schloemer stellt sie im Moment eine ideale Arbeitsform dar:

[z]Ich versuche viel mehr über Struktur Inhalte zu erzählen, wie man einer Komposition zuhört. Dass man nicht über die Bilder, die entstehen, Assoziationen entwickelt, sondern über die Struktur, die entsteht. Auch die Darsteller begeben sich in einen ähnlichen freien Fall, in den ich mich auch begebe dabei. Also es wird unheimlich viel mit Improvisation gearbeitet, und dass die Improvisation auch nicht festgelegt, ist es für die meisten der Leute hier etwas ganz anderes. Aber das ist eigentlich das, wo ich herkomme, dort habe ich vor 20 Jahren angefangen. [/z]
[...]

Dorothea Marcus