Foto

Neue Luzerner Zeitung, 1 September 2008

40 Schläge ergeben einen einzigen Knall
Kantischüler zeigen vor dem KKL eine Choreografie zu Strawinskis «Sacre du Printemps». Und sagen, wieso dieser «MaSacre» aktuell ist.

Wenn 39 Schülerinnen und ein Schüler der Kanti Alpenquai mit Bambusrohren in Reih und Glied losmarschieren, sieht das bereits bedrohlich aus. Die Rohre ragen wie Lanzen in den Himmel, schliessen sich zur Phalanx zusammen oder wischen mit bedrohlichen Schleifgeräuschen über den Boden. Und sie klappern fürchterlich, wenn sie mit Schlagstöcken traktiert werden.

Das passt zur rhythmischen Gewalt der Musik. Denn die Schüler proben seit letzter Woche die Bewegungschoreografie «MaSacre», für die Strawinskis unbändiger «Le Sacre du Printemps» die Vorlage bildet. Der Choreograf Joachim Schloemer erarbeitet mit den Jugendlichen die Gruppenaktionen, der Schlagzeuger Fritz Hauser trimmt sie auf Präzision, damit vierzig Schläge wie ein einziger Knall rüberkommen.

Schloemer bewährt sich als quirliger Motivator, auch wenn er mal ein ernstes Wort einlegen muss: «Vor dem KKL wird es eine
Menge Ablenkung geben», mahnt er: «Da braucht es alle Konzentration, damit ihr mit eurer Vorstellung durch diese Wand hindurchkommt.»

Was interessiert die Schiller an diesem Projekt? «Ich kenne die Musik in der Klavierversion von Fazil Say und bin davon begeistert», sagt der Luzerner Benedikt Koller. Er besucht das Musik und Sport-Gymi, weil er so täglich anderthalb Stunden Fussball trainieren kann. Kann er seine Fussballerqualitäten in der Choreografie einbringen? «Nicht direkt. Konditionell bin ich da eher unterfordert», lächelt er: «Aber für mich ist spannend, dass ich einmal ganz andere Bewegungsabläufe und eine andere Körperbeherrschung trainieren kann.»

«Weil viele Details erst in den Proben festgelegt wurden, konnten wir auch eigene Vorstellungen miteinbringen», sagt Nada Woodtli aus Zug, die Strawinskis «Sacre» bloss vom Film «Rhythm is it» her kennt. Aber obwohl sie selber intensiv tanzt, kann sie das nicht direkt umsetzen. «Das liegt daran, dass «MaSacre» auf die einheitliche Aktion der Gruppe setzt und nicht auf solistische Auftritte.» Gerade das aber macht die Performance spannend: «Es ist ein Ritual, das zeigt, wie in einem Kollektiv Gruppen ausgeschlossen werden, bis es zum Opfer kommt. Das finde ich mit Blick auf Minderheiten, die auch bei uns ausgegrenzt werden, ganz aktuell.»

Das Opfer, das im «Sacre» schliesslich dargebracht wird, ist in «MaSacre» denn auch nicht freiwillig. Wie es vollzogen wird, zeigt sich erstmals heute Abend, wenn die Performance (zu Ausschnitten von Strawinskis Musik) vor dem KKL Premiere hat.

Urs Mattenberger