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WDR, Mosaik, 23 November 2005

Joachim Schloemers "Fledermaus" in Bonn

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Die "Fledermaus von Johann Strauß ist, man muß es sagen, ein Werk von beschränktem Tiefgang und ohne politische Brisanz. Die Geschichte des Partylöwen Dr. Falke, den den Partylöwen Eisenstein einmal richtig bloßstellt, ist so champagnerlastig, dass eine radikal gesellschaftskritische Deutung des Stoffes in Peinlichkeit enden müßte. Nicht von ungefähr hat die Fledermaus allerorten am Sylvesterabend ihren festen Platz.
In Bonn hat nun der Choreograph und Regisseur Joachim Schloemer das Kunststück vollbracht, dem Werk dennoch einen zweiten Boden einzuziehen. Das Ergebnis ist sehenswert. Schloemer hat die ausufernden Sprechszenen des Originals durch eine eigene Dialogfassung ersetzt, die fast stichwortartig die Musiknummern miteinander verbindet. Was an Handlung verlorengeht, wird dem Publikum vom brillanten Otto Katzameier, der den Gerichtsdiener Frosch und den Gefängnisdirektor Frank in Personalunion verkörpert, direkt mitgeteilt.
Azs Erzählung wird so Reflexion, aus dem derben Schwank mit hohem Tempo ein komisch-hintergründiges Stück mit deutlich weniger Geschwindigkeit. Einigen im Publikum war das zu wenig Champagner und zu viel Vanitas, aber das Konzept ist trotzdem schlüssig.
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Michael Gassmann