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Kölnische Rundschau, 10 June 2009

Die Revolution verraten und dann vergessen
Joachim Schloemer inszeniert am Düsseldorfer Schauspiel Heiner Müllers Drama „Der Auftrag.“ Das Stück erzählt vom Verlust einst hehrer Menschheitswerte - ein melancholischer Gruß aus ferner Zeit, als Revolutionen noch funktionierten.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Zu kleiner Münze zerrieben, bieten sie sich nur noch an, wenn es opportun erscheint. Aus hehren Idealen wurde im Lauf der Geschichte nichts als die "Erinnerung an eine Revolution". Sprachmächtig und sprachverloren, kompromisslos und ironisch gebrochen: Heiner Müllers Stück "Der Auftrag", das an die Revolution "erinnert", erzählt vom Verlust einst hehrer Menschheitswerte. So wirkt Joachim Schloemers Inszenierung des Stücks von 1980 wie ein melancholischer Gruß aus ferner Zeit, als Revolutionen noch funktionierten.

Nichts als eine riesige Leiter beherrscht die kahle quadratische Spielfläche im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels. Gelangweilt putzt sie ein Mann. Es scheint vergebene Liebesmüh. Er steigt ein paar Stufen hinauf, kommt wieder runter. Ziellos. Ein zweiter schreibt in großen Lettern den Beginn eines Briefes auf den Hintergrund der Bühne. Er berichtet vom Scheitern eines Plans, von Tod und Verderben: Eine geplante Revolution wurde abgeblasen. Die drei Männer, die den Auftrag hatten, sie anzuzetteln, fallen in ein tiefes Loch.

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Müllers Gedanken- und Sprachwelten zu folgen, ist nicht einfach, schieben sich doch immer wieder Zeitebenen in- und übereinander. Joachim Schloemers Regie und choreografische Zuordnung der Figuren setzt auf Distanz; er fügt Bilder karg aneinander, verschleppt Tempi, macht den "Engel der Verzweiflung" zum surrealen Himmelsgucker und ist bemüht, Müllers Parabel in kunstvoller Schwebe zu halten. Das schafft Distanz, lässt meist nur einen kühlen Blick auf die Kunstfiguren zu - und führt dank seiner Konsequenz doch immer wieder zu theatralisch starken Momenten. Kein überschwänglicher, aber intensiver Applaus.

Günther Henneke