Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26 April 1994

Versöhnung von Klassik und Moderne
Beim Gastspiel in Mailand tanzt Mikhail Barischnikow mit seinem "White Oak Dance Project" Stücke von Joachim Schloemer

[...] Fünf ebenso elegant wie leger gekleideten Männern in Schwarz sind vier Frauen in fließenden, beigefarbenen Kleidern gegenübergestellt, die gelegentlich wie verschleierte Feenwesen der schwarzen Romantik durch die Bilder huschen. Von den schnellen, eleganten Gleitpassagen der Ensembles heben sich männliche Soli ab, bei denen die Hände etwas Unsichtbares zu formen scheinen, vielleicht auch etwas Fliegendes gefangen haben, das sie dann sorgsam am Boden absetzen. Das Ohr am Boden, lauschen sie auf etwas unhörbares: vielleicht die Vorboten eines Bebens, das die flüchtige gefährdete Welt der Eleganz und des schönen Scheins demnächst erschüttern könnte.
[...]
Den Choreographen Schloemer zeigen die beiden amerikanischen Arbeiten, weit weg von seinen Ulmer Tanztheater-Stücken, als ein erstaunlich vielseitiges Talent, das sich in Riesenschritten weiterentwickelt und dabei ist, die amerikanische Sicht des Tanzes mit der deutschen zu versöhnen, eine Verbindung zwischen reiner Bewegung und thematischer Aussage anzubahnen. [...]

Jochen Schmidt