Foto

Der Zürcher Oberländer, 18. Oktober 2004

Licht als Mosaikstein zu Tanz und Musik
«Morton, Morton, Morton», eine Produktion von Joachim Schloemer im Theater am Neumarkt in Zürich

Joachim Schloemer gelingt im Theater am Neumarkt mit «Morton, Morton, Morton» eine stimmungsvolle und konzentrierte, vielschichtige Produktion. Text, Theater, Tanz und Licht führen vor allem zu einem: zu einer visuellen Anleitung, die atmosphärisch leichte, fast zeitgenössische Klaviermusik von Morton Feldman wirken zu lassen.

Beim zweiten und dritten Anlauf klappte es. Ein Scheinwerfer, der sich nicht ordnungsgemäss ein- und ausblenden liess, unterbrach die Premiere am Mittwochabend zuerst und verhinderte sie schliesslich ganz: Ein technisches Versagen, das sich im Neumarkt niemand wirklich erklären kann. Sieht man die Vorstellung jetzt ganz, muss man die Entscheidung abzubrechen als künstlerisch absolut richtig bezeichnen.
Einen «Abend mit Musik, Tanz, Text und Stille» nennt der ehemalige Basler Tanztheaterchef Joachim Schloemer, der sich längst auch als Regisseur einen Namen gemacht hat, sein Projekt am Neumarkt. Es wurde sowohl von der Persönlichkeit wie der Musik des amerikanischen Komponisten Morton Feldman inspiriert.

Das Licht spielt darin - wie alle die sparsam und genau gesetzten Elemente - eine dramaturgisch entscheidende Rolle, dessen Fehlen, wie dasjenige eines Mosaiksteins, die ganze Wirkung beeinträchtigen würde.
Es beginnt im Dunkeln. Über Lautsprecher ertönt leise eine amerikanisch sprechende Männerstimme. Bald kommt eine zweite Stimme dazu, eine Frau, auf Deutsch. Nur mit grösster Konzentration ist etwas zu verstehen. Aussagen Feldmans zur Musik, zu Freunden - wie John Cage oder Robert Rauschenberg, zum Alltag - doch viel verführerischer ist es, einfach der zweistimmigen Sprachmelodie zu lauschen. Seltsam körperlos bleiben die Stimmen, auch wenn in den regelmässigen Aufblendungen auf dem Bühnenpodest und dem sich perspektivisch verjüngenden Tunnel dahinter wie auf Dias zwei Menschen sichtbar sind. Mal steht sie hinten (Marianne Hamre hat wenig zu tun, wirkt aber durch reine Präsenz), mal sitzt er vorne, sind beide sichtbar oder niemand: Momentaufnahmen, so realistisch wie irreal.

Es dauert ein paar Minuten, bis Pianist Markus Hinterhäuser, renommierter Spezialist für Neue Musik, auf dem auf der Bühne platzierten Flügel erste Töne spielt: Wie hingetupft, einstimmig eingängig, ohne dass man sie nachsingen könnte, genau und doch von ungehörter Leichtigkeit.
Es ist der Beginn von «For Bunita Marcus» von 1985 des Komponisten Morton Feldmann (1926-1987). Kein einfach zu bebilderndes Stück - aber das will Schloemer auch gar nicht, sein Anspruch liegt höher. Stehen am Anfang verschiedene Zeichen neben-, akustisch sogar übereinander, werden sie immer sparsamer. Graham Smiths grosses Tanzsolo in der Mitte bricht einfach ab. Die Personen lösen sich immer mehr auf, man hört fast nur noch zu.
Der theatralische Spannungsbogen hält mühelos über die 100 Minuten, dank Morton Feldmans so bestechend einfacher Musik. Wie Schloemer die Konzentration mit ebenso einfachen, aber ungemein wirkungsvollen Mitteln ganz auf sie hinzulenken versteht, ist ein Erlebnis.

Tobias Gerosa