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Tiroler Tagezeitung, 28. Dezember 1999

Stern, Seele, Freude, Schwert
Bis zur Pause von Rene Jacobs und Joachim Schloemers Festwochenpremiere verhielt sich das Publikum abwartend gespannt. Geendet hat der Abend bei kurzfristiger Gegenstimme mit Beifallsstürmen.

Rene Jacobs hat seit jeher mit der vorklassischen Musik nicht nur reüssiert, sondern geatmet, und deshalb denkt er voraus. Mit dem Monteverdi-Abend demonstriert er, worum es ihm geht: das Selbstverständnis der Zeitaufhebung in Augenblicken, da die Kunst Wahrheit freigibt. [...] Für die szenische Entsprechung wählte er den modernen Ausdruckstanz, und da mußte ihm Choreograph Joachim Schloemer mit seinem hochsensiblen, zutiefst menschlichen und von jeder Konvention freigetanzten Zugang idealer Partner werden. [...]
Zum Beeindruckendsten dieses Abends gehört, dass Schloemer den Tanz den ästhetischen Bedingungen des Mediums Musik so sehr annähern kann. Das geht nur durch die Verweigerung äußerlicher Konvention und die Bewahrung des Individuums im Kollektiv, wie es Schloemers Arbeit ohnedies entspricht. Weg mit historisierendem Gerumpel und Kunstgewerbe - weg mit Falschheit. Die Bühne begrenzt nach hinten eine große, graue Wand, die Tänzer zeigen sich in Alltagskleidung ohne Chic. Das Publikum braucht eine Zeit der Orientierung, und begreift dann, zur Mehrheit fasziniert.
Es geht um erzählte Geschichten, aber darüber hinaus eben auch um das Wesen der Dinge in der wortüberwindenden Vertonung. Die Texte [...] öffnen den poetischen bzw. dramatischen Raum, und dann schafft auch Schloemer in der Bewegung die "Vertonung", unglaublich nah an der Musik, der Phrase.
[...] Von hohem Niveau auch die Tänzerinnen und Tänzer des Basler Tanztheaters, die sich intensiv einbringen müssen, damit dieses Konzept so eindrucksvoll aufgeht. [...]

Ursula Strohal