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Rhein-Neckar-Zeitung, 2. Juni 2014

Theater der Welt: Fanatiker im Blutrausch
Adriana Hölszkys Dostojewskij-Oper "Böse Geister" in Mannheim

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Regisseur Joachim Schloemer und Bühnenbildner Jens Kilian haben eine wundervolle szenische Lösung für diese Vielschichtigkeit des Werkes gefunden: Zwei sehr bewegliche, offene Räume - je nach Drehung Interieur oder Außenwand - lassen sich in unzähligen Kombinationen zusammenfügen, sind in schnellem Wechsel mal Zimmer, mal Straße und oft auch beides. Erzähler Stawrogin bezieht mit drei Gespenstern ähnlichen Schwestern (den Hexen aus "Macbeth" nicht unähnlich) ein Zimmer im Zuschauerraum. Der Regiebezug zu Shakespeare scheint gewollt, denn auch der Fanatiker Piotr (ein hoch exaltierter Countertenor: Zvi Emanuel-Marial) trägt bisweilen Macbeth-Züge und wird von einer Frau getrieben.

Schloemer hält sich an das russische Kolorit im 19. Jahrhundert, stülpt also keinen zusätzlichen, heutigen Interpretationsansatz über diesen sowieso schon extrem komplexen Stoff - und man ist ihm für diese Zurückhaltung sehr dankbar. Auch die simultanen Szenen sind so recht gut zu verfolgen, erschließen sich aber gänzlich wahrscheinlich erst nach mehrmaligem Sehen und Hören.

Der Chor des Nationaltheaters aber, der hier wie in der griechischen Antike fungiert und agiert, ist der eigentliche Star und Motor dieser Produktion, die man als aussichtsreichen Kandidaten für die "Uraufführung des Jahres" durchaus heute schon prognostizieren kann.

Matthias Roth